Von den Anfängen im Jugendzimmer zur nächsten Generation: Was passiert, wenn die eigenen Kinder plötzlich dieselbe Leidenschaft für Games entdecken wie man selbst? Eine persönliche Geschichte über Nostalgie, Technik und die Magie, etwas weiterzugeben.
„Papa – wie hat das bei dir eigentlich angefangen mit diesen LAN-Partys?“
Es sind diese unscheinbaren Fragen aus Kindermund, die mehr auslösen, als ihnen bewusst ist. Plötzlich holt einen die eigene Vergangenheit ein – samt Röhrenmonitor, Nullmodemkabel und dem Geruch von kalter Pizza und Teenager-Schweiß.
Auf einmal stehst du nicht mehr im Alltag eines Erwachsenen, sondern sitzt wieder auf der Holzbank in der Aula deiner alten Schule im Jahr 1997 – mit herausgewachsenem Pottschnitt, Gaming-Magazin in der Hand und dem Drang, Nächte durchzuzocken.
Level 1: Gaming als Familien-DNA
Meine Kinder wachsen auf zwischen Konsolen, Kabelwirrwarr und dem Soundtrack klassischer Retrospiele auf. Für sie ist Gaming nie etwas Besonderes gewesen – es ist einfach da. Wie der Kühlschrank. Wie das WLAN.
Was ich ihnen nicht aktiv beibringe, holen sie sich selbst: Die Faszination. Die Begeisterung. Den Wettkampfgeist. Mein Jüngster stellt mir vier Jahren Speedrun-Rekorde in Astrobot auf, während meine Tochter mit bewundernswerter Ausdauer ganze Städte in Minecraft baut.
Sie spielen nicht einfach nur. Sie denken in Welten, in Mechaniken, in Erzählungen. Genau wie wir damals. Nur mit besserer Grafik.
Level 2: Der LAN-Keller – ein Museum voller Sehnsüchte
In unserem Haus gibt es einen Raum, den wir ehrfürchtig den „LAN-Keller“ nennen. Ein Refugium. Ein Ort der Technikgeschichte. Bestückt mit alter Hardware: Tower-Gehäuse und klapprige Tastaturen die bei jedem Anschlag ein metronomisches „Klack!“ von sich geben.
Eigentlich ist dieser Raum für vierteljährliche Nostalgie-Events reserviert – eine Art rituelle LAN-Reunion unter alten und vielen neuen Freunden, die die selbe Leidenschaft teilen. Doch für meine Kinder ist er das, was für mich früher der Dachboden mit den Langspielplatten und alten Kleidern meiner Eltern war: ein magischer Ort voller Rätsel und Möglichkeiten.
Ich ertappe meine Kinder oft beim Schleichen. Beim Tasten. Beim Staunen. Und ich weiß: Hätte ich als Kind so einen Raum im Haus gehabt – ich wäre genauso gewesen.

Level 3: Der Ursprung – zurück in die 90er
1997. Ich war 14, Schüler einer Gesamtschule, mitten in der Pubertät – und auf der Suche nach etwas, das mich fesseln konnte. Unsere Jungs-Clique hockte jede Mittagspause in der Aula auf einer alten Holzbank. Unter uns die Heizung, hinter uns eine große Fensterfront. Hier diskutierten wir über Spiele, Cheats, neue Releases und Reviews aus den Printmagazinen, für die wir unser Taschengeld opferten.
Hier las ich einen Leserbrief: Eine Gruppe Jugendlicher, die regelmäßig gemeinsam die Nacht durchzockte. Nicht online – das war Luxus. Sondern lokal – Seite an Seite. Eine Videospielnacht, wie wir sie nannten.
Level 4: Die erste LAN – Cola, Chaos, Keller-Muff
Freitagabend, irgendwann Ende der 90er. Der Keller meiner Eltern roch nach einer Mischung aus Heizungswärme, Kellermuff und der Vorfreude von fünf pubertierenden Jungs. Auf dem Boden: Schlafsäcke, eine ausgediente Matratze, ein zweiter Röhrenfernseher von den Großeltern organisiert, drumherum ein wilder Haufen Controller und Kabel, die sich zwischen Tischbeinen und Pizzakartons schlängelten.
Wir spielten Mario Kart, GoldenEye, Crash Bandicoot, Resident Evil & Age of Empires, und Vieles mehr – immer reihum, weil es nicht immer genügend freie Controller oder PC-Plätze gab. Zwischendurch wurde hektisch am Nullmodemkabel gefummelt, wenn die Verbindung wieder einmal abbrach. Das störte uns nicht. Ganz im Gegenteil. Wir fühlten uns ermutigt es mit der frühen Netzwerktechnik aufzunehmen.

Die Pentiums meiner Freunde machten mich neidisch. Mein eigener 486er wie ein veralteter Traktor in einer Welt voller Sportwagen. Für Theme Park und Day of the Tentacle ausreichend – aber in dieser neuen Welt so nützlich wie ein Klappstuhl im Boxring.
Das Geräusch der Lüfter, das Blinken des Verbindungssymbols – es fühlte sich an, als hätte jemand ein weiteres Fenster in meinem Leben geöffnet und mir nur einen kurzen Blick hinein gestattet. Es sollte noch fast ein Jahr dauern, bis mein Traum von einem neuen PC Wirklichkeit wurde.
Level 5: Vom Keller zur Kultstätte
Unser kleines Event sprach sich herum und der Keller wurde schnell zu klein. Wir zogen in den Schuppen, dann kam die angrenzende Garage hinzu. Später dann die erste öffentliche LAN: LAN-Trauma in Mettingen. Über 100 Spieler. Endlose Tischreihen, Ein Meer aus Monitoren, Tastaturen, Cola-Flaschen. Ich war 16, mit Elternzettel in der Tasche und dem innerlich Gefühl angekommen zu sein. In einer Szene, die mich fesselt.


Level 6: Rückblick mit LAN-Kabeln im Herzen
Heute, über 25 Jahre später, bin ich Vater zweier Kinder. Mein Alltag ist gefüllt mit Meetings, Workload, Verantwortung, Spülmaschine. Aber wenn ich den LAN-Keller betrete und die alten Rechner boote – dann bin ich wieder Teenager.
Wir treffen uns immer noch. Dieselbe Freunde, dieselben Spiele, der selbe Pizzalieferant – ein paar neue Weggefährten sind hinzugekommen. Auch sie teilen die gleiche Leidenschaft, die uns verbindet.
Und meine Kinder? Schleichen sich hinunter, wenn wir spielen, huschen zwischen den PCs umher, staunen, lauschen, wollen mitspielen. Ich drücke ein Auge zu. Lasse sie eintauchen in meine Welt. Für ein paar Runden.
Was bleibt?
LAN-Partys waren für mich nie nur Gaming. Sie waren Freundschaftspflege. Hardwarekultur. Improvisation. Freiheit.
Sie haben uns geprägt – als Nerds, als Bastler, als Menschen, die wussten, dass eine gute LAN mehr braucht als einen stabilen Ping. Nämlich Geduld, Respekt, Zusammenhalt und einen gewissen Hang zur Chaosbeherrschung.
Vielleicht wird es für meine Kinder keine LANs im klassischen Sinn mehr geben. Aber vielleicht verstehen sie irgendwann, dass das, was im LAN-Keller lagert, mehr ist als alter Elektroschrott.
Es ist ein Erbe. Mein Erbe. Meine persönliche Zeitreise.





